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#lasst_uns_reden
#redest du noch oder kommunizierst du schon? Mai 2024
Den Erfolg meiner Arbeit mit KlientInnen bestimmen in erster Linie die therapeutische Beziehung und die Frage, ob zwischen uns eine offene Kommunikation stattfindet. Ersteres gewährleistet einen sicheren Raum für die KlientInnen, zweites ist die Grundvoraussetzung dafür, dass in diesem Raum auch eine fruchtbringende Arbeit stattfinden kann. Wie aber gestaltet man eine solche Qualität der Kommunikation?
Vor vielen Jahren habe ich das Buch “7 Wege zur Effektivität“ von Steven Covey gelesen. Damals war ich noch weit von meinem heutigen Wissensstand in Sachen Kommunikation und Psychologie entfernt, hatte aber viele Fragen im Kopf, zu denen ich dort Antworten gesucht habe. Erst viele Jahre später habe ich bemerkt, dass mich das Gelesene innerlich mehr geprägt hat, als ich mir damals beim Lesen des Buches vorstellen konnte.
Auf eine dieser Regeln möchte ich heute tiefer eingehen. Sie lautete: „Erst verstehen, dann verstanden werden“. Alle meine heute praktizierten Fähigkeiten zum Thema Kommunikation zahlen genau auf diesen Fakt ein. Was bedeutet das in der Praxis? In allen Bereichen unseres Lebens kommunizieren wir. Mit Worten, mit Taten, nonverbalen Zeichen wie Körperhaltung und Mimik. Aber auch etwas „nicht zu tun“ ist eine Form der Kommunikation. Während wir nur wenig Einfluss auf unsere instinktive Mimik und Körperhaltung haben, ist unser Einfluss auf das gesprochene Wort groß (auch wenn man manchmal daran ‚ver’zweifeln könnte). Gedanken werden Worte, indem wir Ihnen unsere Stimme verleihen und sie die Welt entlassen. Das kann spontan und ungefiltert geschehen, oder aber auch überlegt und durchdacht.
Was aber ist das Ziel unserer Worte? Wollen wir etwas sagen, „unsere Meinung loswerden“, reagieren, ungefragt bewerten, Rat‘schläge‘ geben? Oder liegt es uns am Herzen, dass unsere Aussage vom Empfänger verstanden wird und dort als wertschätzend und hilfreich wahrgenommen wird?
Wenn uns Zweiteres wichtig ist, beginnt die Reise bei uns. Was liegt mir am Herzen? Warum ist mir diese Botschaft wichtig? Wurde ich tatsächlich um meine Bewertung gebeten, oder wurde mir nur ein eine Tatsache mitgeteilt? Ist meine Antwort für die andere Person von Bedeutung und wertschätzend?
Soll also meine Botschaft ankommen, muss die benutzte Sprache die des Empfängers sein. Niemand käme die Idee, eine Spanierin in Chinesisch anzusprechen. Warum tun wir das dann bei unterschiedlichen Glaubenssätzen, Wertvorstellungen und kulturellen Hintergründen?
„Erst verstehen, dann verstanden werden“ bedeutet, erst die innere Landkarte unseres Empfängers zu erkunden, und dann unsere Aussage so zu formulieren, dass sie verstanden werden kann - auch „zielgruppengerechte Kommunikation“ genannt.
So kann ich beispielsweise einem Naturfreund einen Zusammenhang gut erklären, wenn ich Bezug auf Beispiele in der Natur nehme. Einem Kind gegenüber werde ich andere Worte wählen als für einen Erwachsenen im Berufsleben oder einen pflegebedürftigen schwerkranken Menschen.
Ein einfaches Beispiel soll hier zur Verdeutlichung dienen: Eine Frau kommt zum Gespräch, weil sie nach der Arbeit immer erschöpft ist, zu wenig Zeit für sich hat und deshalb kaum noch Schlaf findet. Die Lösung für ihr Problem ist einfach: weniger arbeiten, Entspannungsübungen und Einführung einer Schlafroutine. Ist es so einfach? Erst beim Zuhören und Erforschen der inneren Welt der Patientin kann eine für sie passende Lösung erarbeitet werden.
Was bedeutet für sie „zu viel“? Was ist der Grund ihrer Arbeitsmenge? Hat sie finanzielle Sorgen und benötigt mehr Einkommen? Hat sie einen sehr hohen Anspruch an sich selbst und kann eigene Fehler nicht tolerieren? Stellt die Firma unerfüllbare Ansprüche? Was bedeutet „Zeit für sie“? Sind noch Familienangehörige zu versorgen? Welche Träume und Wünsche hat sie für die Zukunft?
Das sind nur sehr wenige mögliche Fragestellungen, und schon diese wenigen Fragen können zu unterschiedlichen Lösungsansätzen führen. Erst wenn diese Lösungen auch in die Situation der Klientin passen, kann sie Anregungen annehmen und umsetzen. Unpassende Interventionen könnten die Situation sogar verschlechtern, da die Klientin mögliche Verschlechterungen oder sogar Scheitern ihrer Unfähigkeit zurechnen könnte und nicht deren falscher Passung.
Viele Faktoren wirken auf die Wahrnehmungen des Empfängers ein: soziale Prägungen, Herkunft, familiäres Umfeld, gesellschaftliche Regeln, Er-lebtes, Er-fahrenes, Vermisstes.
Die Entscheidung, ob wir nur Sender sind oder auch empfangen werden, liegt an uns und wie wichtig es uns ist, dass unsere Sendung auch geliefert wird. Ist mir diese Person als Freund oder Familienangehöriger wichtig? Hängen davon beruflicher Erfolg oder andere wichtige Zukunftsentscheidungen ab?
Treibt man diese Überlegung auf die Spitze, ist alles, was nicht diesen Filter durchläuft, unnötig - mitunter sogar kontraproduktiv - und könnte somit auch ungesagt bleiben. Das Sprichwort „Reden ist Silber, schweigen ist Gold“ zahlt auf diese Erkenntnis ein.
Aber wir wollen ja kommunizieren - also lasst uns reden - und zuhören!
#im Hier und Jetzt – und nirgendwo anders Februar 2024
Wie in jedem Leben gibt und gab es auch in meinem viele Höhen und Tiefen, Herausforderungen, jähe Wendungen, unvorhergesehene Ereignisse. Und wie viele andere Menschen auch habe ich besonders in meinen jüngeren Jahren nicht wenig Zeit damit verbracht, worst-case Szenarien für die Zukunft zu durchdenken und mich davor zu ängstigen - oder auch in die Vergangenheit zu schauen und über Ungerechtigkeiten und Versäumtes zu hadern: „Was wird sein, wenn? Wie werde ich mich dann verhalten? Wie wird es mein Leben beeinflussen? Was wäre gewesen, wenn dies und jenes nicht passiert wäre?“
Heute, mit sehr viel mehr Erfahrung und Weisheit und nach der Bewältigung einiger kapitaler Krisen kann ich eines mit Sicherheit sagen: All das, womit ich mich in mancher schlaflosen Nacht in Gedanken beschäftigt habe, ist nicht eingetreten. Viele Sorgen und Ängste, die mich vom Leben abgehalten haben, waren unbegründet. Und auf die bedrohlichen Situationen, die ich tatsächlich durchlebt habe, war ich absolut nicht vorbereitet. Auch Rückwärtsdenken und mit Vergangenem hadern haben mich keinen Schritt vorangebracht.
Was könnte man daraus schließen? Macht es Sinn, sich noch mehr und mit noch umfangreicheren Sorgen zu beschäftigen? Noch intensiver über die Vergangenheit und Zukunft nachzudenken und sich auf alle erdenklichen Szenarien vorzubereiten, nur für den Fall?
Künftige Verluste, Gewinne, Trauer, Freude, Sorgen und Glück werden vielleicht geschehen.
Vielleicht auch nicht.
Und vor allem NICHT JETZT!
Das einzig wahre "Jetzt" findet nicht in unserem Kopf statt: Wir können es sehen, riechen anfassen, hören. Es ist ein Lächeln, der Wind auf der Haut, vielleicht das Schwitzen in einem Bus oder der Kopfschmerz von der gestrigen Party. Es ist die Aufgabe im Job, die genau jetzt erledigt werden muss, der Mensch neben uns, der Hund, unser Essen auf dem Teller, unser Atem. Und wenn wir genau hierbei anwesend sind, heißt das „leben“. Leben heißt wertungsfrei wahrnehmen, fühlen, atmen und annehmen. Radikale Akzeptanz heißt: Es ist, wie es ist – genau in diesem Moment. Der einzig reale Schritt ist der jetzige und der unmittelbar nächste.
Unser Kopf hat ein Eigenleben. Er will immer wieder auf die Reise gehen und uns von der Realität abhalten. Das gibt uns das Gefühl, etwas zu tun. Ist es nicht die Fähigkeit zum Denken, die uns zum Menschen macht? Ja, das stimmt. Nur ist es das „nützliche“ Denken der Kreativität, des Schaffens. Nicht das Grübeln über das Gestern, Morgen und Irgendwann.
Kann man das lernen? Ja. Ist das leicht? Nein. Muss man üben? Ja, aber es lohnt sich. Es hilft, sich immer wieder zu hinterfragen und zu beobachten. Bin ich noch anwesend, oder gerade „auf Reisen“? Lernen heißt scheitern und immer wieder von vorn zu beginnen. Nichts ist herausfordernder als die Änderung des eigenen Mindsets. Es ist wie das Bestellen eines bunten Gartens, der tägliche Aufmerksamkeit und Pflege verdient.
Der Gewinn ist die „unbedingte Anwesenheit im eigenen Leben“.
Beim Säen, Gießen und Unkraut jäten stehe ich gern zur Seite.
Lasst uns reden!
# lasst uns reden…. Warum? Oktober 2023
Den Leitspruch „lasst uns reden“ hatte ich bei der Gründung meiner Praxis ganz spontan im Kopf. Inzwischen habe ich mehr und mehr realisiert, warum genau dieses Motto und warum ich ihn auch heute wieder wählen würde:
In meinen Gesprächen des letzten Jahres bin ich vielen Menschen begegnet mit unterschiedlichem Background, Geschlecht, Alter, familiären Wurzeln und verschiedensten Gründen der ersten Kontaktaufnahme. Diese werden meistens als beginnender Burnout oder Depression angegeben.
Was sehr viele von ihnen verbindet, ist ein vages Empfinden von Unwohlsein und Mangel, Gedankenkreiseln, ein Gefühl von Unzulänglichkeit und ein nur schwaches Spüren des Selbst. Viele funktionier(t)en gut in Ausbildung, Familie und Beruf, haben sich gut angepasst und ein gutes Maß an Empathie für die Bedürfnisse anderer. Gleichermaßen können eigene Bedürfnisse und Gefühle nicht benannt werden, als wäre da ein blinder Fleck.
Sehr auffällig ist für mich bei vielen Klienten ein Muster, wenn es im Gespräch um die Hintergründe der Herkunftsfamilie geht:
Da ist der Klient, der seine Kindheit als gut bezeichnet, aber nicht benennen kann, ob und wie er mit seinen Eltern kommuniziert hat und wie diese gelebt haben. Da ist die junge Frau, die sich von den Eltern stark eingeschränkt und bevormundet fühlt, sich aber auch nicht von ihnen lösen kann. Die Klientin, die keine Erinnerung an körperliche Nähe und Trost hat. Meine Frage: „Wie empfanden Sie Ihre Kindheit“ wird meist positiv beantwortet. Bei meiner Frage nach dem Warum höre ich dann aber sehr häufig „das kann ich nicht so genau sagen, ich erinnere mich nicht“.
In der gemeinsamen Erforschung der individuellen Geschichten kommen dann im Laufe der Zeit vage Erinnerungen: Die Großmutter war junge Mutter, als die Heimatstadt bombardiert wurde. Die Mutter saß als Kleinkind im Bombenkeller. Der Großvater war wohl Soldat im Krieg. Andere Eltern sind aus einem Land geflohen, von dem man heute furchtbare Dinge liest. Eine Mutter war lange schwer krank, ohne es der Familie zu sagen. Großeltern waren Migranten, die im neuen Land wieder von Null anfangen mussten. Andere Vorfahren haben den Holocaust im 2. Weltkrieg überlebt und den größten Teil ihrer Verwandten in Konzentrationslagern verloren.
Nun stellt sich die Frage: Was haben heutige Generationen damit zu tun? Was werden künftige Generationen damit zu tun haben, was wir heute über die Ukraine, Russland und unzählige andere Konflikte in der Welt erfahren?
Erst seit Mitte der 1960er Jahre erforschen und beschäftigen sich Therapeuten mit der Frage der transgenerationalen Weitergabe unverarbeiteter Traumata. Diese Weitergabe geschieht nicht (wie man vermuten könnte) durch die schrecklichen Erzählungen von alten Geschichten. Im Gegenteil: diese Weitergabe erfolgt wortlos, durch unbewusstes, ungewolltes Handeln, vor allem auch Nicht-Handeln und Schweigen.
Die Ursachen sind vielfältig: Scham, eigenes Verdrängen, Schuldgefühle und der Wunsch, dass es den eigenen Kindern einmal besser gehen möge.
Nur kann die Mutter, die als Kind unglaubliche Angst erlebt hat, ihr eigenes Kind angstfrei erziehen? Kann ein Mensch mit körperlicher Gewalterfahrung unbegrenzte Nähe zulassen und geben? Kann ein Mensch, der die eigenen dunklen Gedanken immer wieder durchleben muss, für die Kinder ein sicheres zugewandtes Umfeld geben? Können Eltern ihr Kind gehen lassen, wenn sie doch selbst als Kinder Schutz gebraucht hätten?
In vielen Familien gibt es Vorfahren, die Opfer, Leidende und auch Täter waren. Und selten wurde darüber gesprochen. Die Kinder aber wuchsen mit Schweigen auf und der Erfahrung, dass „Unsichtbarkeit“ der beste Weg ist zu überleben. Ging es den Eltern gut, waren die Kinder sicher. Daher das hohe Maß an Empathie für andere. Für die eigenen Gefühle war kein jedoch Raum.
Aber: Gefühle werden erlernt wie alles andere auch. Nimmt sie beim Kleinkind niemand wahr und gibt ihnen einen Namen, entsteht ein blinder Fleck. Über Jahre hinweg ist so ein Leben in der Gesellschaft möglich: Arbeit und Ablenkung schaffen vorübergehend einen Sinn.
Dann irgendwann reichen die bewährten Strategien nicht mehr aus und es entstehen Fragen: Warum fühle ich mich oft so leer? Warum macht mich mein bedürftiges Kind hilflos? Warum habe ich oft Angst zu versagen? Warum fühle ich von anderen emotional ausgenutzt? Was will ich eigentlich selbst? Warum machen mich die Wünsche meiner Eltern so wütend? Was treibt mich zum Perfektionismus? Muss ich immer glücklich sein und warum?
Allein das Wissen um diese Prägungen kann schon der Beginn einer Veränderung sein. Ein künftiger Zugang zu den eigenen Bedürfnissen erfordert es, Worte für die bisher unbenannten Gefühle zu finden. Blinde Flecke können auch gefüllt werden, wenn ein Gespräch mit den Eltern aufgenommen wird – sofern das möglich ist.
Noch ein Wort zum Schluss: natürlich hat nicht jedes psychische Problem diese Hintergründe und nicht jedes Familientrauma führt zu psychischen Erkrankungen. Es bedarf des Zusammenspiels vieler Faktoren, um zu einer Erkrankung zu führen.
Aber ein starkes stützendes Umfeld und ein offener Austausch sind wichtige Faktoren zu Stärkung der Resilienz.
Lasst uns reden!
# zuhören Juli 2023
Mein Motto „lasst uns reden“ beinhaltet eine vielleicht noch viel wichtigere Seite: zuhören.
In den sozialen Medien, im Fernsehen und wo auch sonst noch: es herrscht ein Rauschen von Stimmen und Meinungen. Jeder ist auf Sendung und möchte gehört werden.
Aus dem Reden wird aber nur dann ein Gespräch, wenn jemand aktiv zuhört. Wertungsfreies Zuhören ist die Basis für das Verständnis der Anderen - deren Weltsicht, deren Bedürfnisse und Glaubenssätze.
Erst das Zuhören führt zu Verstehen.
Verstehen schafft Wertschätzung.
Wertschätzung ist die Basis für Dialog.
Hinter jeder Meinung steht ein komplexes System von Bedürfnissen, Erfahrungen und Prägungen. Unbegreifliches führt zum Verlangen nach Erklärungen. Unsicherheit ist schwer zu ertragen und so sind wir alle auf der Suche nach Antworten, die uns die Welt verständlicher machen und vermeintlich wieder Kontrolle und Selbstwirksamkeit zurückbringen.
Sei es in der Politik, der aktuellen Coronapandemie, zwischen Generationen – einfach in allen Bereichen des Lebens: hören wir wirklich zu, oder warten wir nur auf den Moment, an dem wir unsere eigene Stimme erheben können?
Erzählt jemand über einen Verlust, hört er/sie oft „das kenne ich, ich weiß, wie es dir geht, ich hatte auch…“. Ein Partner möchte ein Beziehungsthema ansprechen und hört stattdessen: „Aber du hast letztens auch das und das gemacht...“ Eine abweichende Meinung wird häufig übertönt durch die Gegenargumente. Schneller, lauter, wer hat Recht?
Es ist natürlich, dass wir unsere Meinung mit denen der Anderen abgleichen. Schwierig wird es dann, wenn wir den Dialog nicht mehr zulassen und auf Ausgrenzungskurs gehen. Ausgrenzung verstärkt Konflikte und die Nicht-Verstandenen finden sich zusammen.
So entstehen Oppositionen mit harten Fronten, zerfallen Freundschaften, trennen sich Paare.
Hinter jeder Weltsicht steckt eine gute Absicht. Das kann der Wunsch nach Sicherheit sein, die Verringerung von Ängsten, der Wunsch zum Schutz der Familie. Weltbilder entstehen nicht gegen andere, sondern im und für das eigene System. Um zu verstehen, warum andere genau so und nicht anders denken und handeln, müssen wir zuhören. Nachfragen. Unsere Schubladen geschlossen lassen. Das ist „Laufen in den Schuhen des anderen“. Perspektivwechsel ist ein gutes Mittel für eine gelungene und wertschätzende Kommunikation. Steven Covey nennt das „erst verstehen, dann verstanden werden“.
Erst die Stille des Zuhörers ermöglicht das Sprechen des Redners. So kann sich die Gedankenkette entwickeln, ohne im Keim erstickt zu werden.
Und nicht zuletzt: „agree to disagree“: wir können uns auch darüber einig sein, dass wir in diesem Fall nicht übereinstimmen. Das lässt Raum für die vielen Themen, zu denen wir uns einig sind.
Das alles gehört für mich zu einer erwachsenen Kommunikation. Ich wünsche mir mehr davon. Ist das einfach? Nein. Wir alle wissen, dass es einfacher ist, in alte Muster zu verfallen und sich nicht mit dem Aufwand des Zuhörens zu beschäftigen. Aber dort, wo es uns wichtig ist, wo wir etwas bewegen wollen und können, ist eine Verhaltensänderung sinnvoll. Und die einzige Person, auf die wir Einfluss haben, sind wir selbst.
Lasst uns reden (und zuhören)!
#2020, wir müssen reden… Januar 2021
Gleich zu Beginn mein Geständnis: ich habe Dich verflucht, gehasst, schlecht über dich geredet. Und gehofft, dass Du endlich aus meinem Leben verschwindest.
Und dann war es plötzlich soweit: Sang- und klanglos warst du weg. Über Nacht. Ohne großes Tamtam, ohne Knallerei und ohne ein letztes Wort. Hast dich einfach vom Acker gemacht, ohne Dich umzudrehen. Und ich bin plötzlich nicht erleichtert, sondern ich habe ein schlechtes Gewissen Dir gegenüber. Denn mittlerweile sehe ich Dich in einem anderen Licht.
Entgegen meinem ursprünglichen Bedürfnis streiche ich Dich nicht aus meinem Leben, denn das wäre dumm und ungerecht. Abgesehen davon, dass ich damit (statistisch gesehen) auf etwa 1/80 meines Lebens verzichten würde, ich müsste dann gerechterweise auch noch weitere 5-8/80 hinterherwerfen. Abzüglich der Zeit, in der ich geschlafen habe…. Aber das nur am Rande, das ist nicht der Hauptgrund:
Fakt ist: Du hast getan, was Du konntest. Du hast Dich gegen niemanden verbündet oder andere bevorzugt. Die warst einfach so wie du warst. Die Welt hat sich gedreht, die Sonne ging auf und unter, Menschen wurden geboren, andere starben. Das Universum hat sich nicht vorgenommen, uns abzustrafen, denn auch wenn es für den einen oder anderen eine narzisstische Kränkung bedeutet: dem Universum sind wir egal. Dinge sind wie sie sind, die Bewertung von Ereignissen passiert erst in unserem Kopf.
Und ja, in 2020 waren wir alle - auch ich - mit einer Reihe besonderer Herausforderungen konfrontiert. Situationen, die wir uns vorher nicht hätten vorstellen können. Das Normalste der Welt war plötzlich nicht möglich: Herausgehen, feiern, reisen, sich umarmen. Wir haben schmerzhafte Verluste erlitten: plötzliche Abschiede, lange Trennungen, einige davon für immer.
Aber wenn ich das ganze Jahr reflektiere, habe ich auch viel gelacht, gelernt, Gutes erfahren und gegeben. Ich habe einmal mehr erfahren, wie viel ich aushalten kann, ohne daran zu zerbrechen. Ich habe wieder einmal gelernt, dass lieben auch loszulassen heißt und dass sich für etwas zu entscheiden auch bedeutet, auf eine andere Option zu verzichten. Und wie unglaublich schwer es ist, etwas einfach nur auszuhalten: den Schmerz der Nächsten, Hilflosigkeit im Angesicht von Krankheiten, Krisen, Angst und Unsicherheit.
In welchem der letzten Jahre hatten wir in unserem Teil der Erde so wenig Planbarkeit, so schnelle Wendungen und Änderungen und neue Regeln zu akzeptieren? Und gerade dieses Gefühl der fehlenden Kontrolle führte auch bei einigen Menschen zur Bereitschaft, jeder Theorie und jedem Heilsversprechen zu folgen, wenn es nur irgendeine Selbstwirksamkeit versprach. Wut, Aggression, Widerstand und Hass gegen das unaushaltbare Gefühl von Unsicherheit und Hilflosigkeit.
Auch das ist eine Erkenntnis: Menschen dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden und die Kommunikation nicht abreißen zu lassen, schafft mehr Gemeinsamkeit als Ausgrenzung, Belächeln, Nicht-Ernstnehmen von Sorgen und Ängsten.
Am Ende einer gescheiterten Beziehung denken wir oft nur mit Ablehnung daran zurück. Aber auch diese Beziehung hat ihren Teil dazu getan, uns zu denen werden zu lassen, die wir heute sind. Wir sind gewachsen, wir haben uns positioniert, Ja und Nein entschieden, Krisen durchgestanden und auch viele schöne Stunden erlebt.
Und deshalb, liebes Jahr 2020: es tut mir leid, ich habe dich ab und zu gemobbt und schlechtgemacht. Das lag daran, dass ich zwischendurch kurzzeitig den Überblick verloren habe. Heute mit ein wenig mehr Abstand erkenne ich, dass ich es besser hätte wissen müssen.
Ich nehme diese Erkenntnis mit nach 2021 und hoffe trotzdem, nicht alle meine neu gewonnenen Erkenntnisse auf einmal anwenden zu müssen.
Lasst uns reden!
#krisen – und was sie mit uns machen Juli 2020
So langsam können wir es kaum noch hören, das K-Wort. Und jetzt noch ein weiterer Blog-Post dazu? Ist das nötig? Ja, davon bin ich überzeugt.
Wie so viele andere Menschen, musste auch ich mich erst einmal in dieser neuen Situation zurechtfinden, praktische Entscheidungen treffen, mich und mein Umfeld organisieren und helfen, so manche Träne zu trocknen (dabei auch meine eigenen). Mitten in Berlin zu sein war Glück im Unglück – doch auch eine überschaubare Herausforderung bleibt herausfordernd.
Nach einigen Wochen der Anpassung und Umstellung habe ich mehr und mehr über das grundsätzliche Thema Krisen reflektiert. Da ich schon einige Lebensjahrzehnte auf meiner Uhr habe, darf ich hier ganz klar sagen: ich bin inzwischen ein Freund von Krisen. Nein, natürlich nicht von einer Jeden und auch nicht davon, mittendrin zu stecken und sie zu durchleben. Aber schon sehr wohl von ihrer Wirkung, ihren Ergebnissen.
Lasst uns einmal von der aktuellen „Corona Krise“ abwenden und einige Meter inneren und äußeren Abstand nehmen: Was ist eine Krise? Wie entsteht sie?
Eine Krise ist eine gefährliche Situation, eine schwierige Lage, es besteht eine akute Gefährdung. Das kann eine Krankheit betreffen, den Zustand einer Beziehung, eine politische Lage, eine Umweltkatastrophe und vieles anderes mehr – oder alles gleichzeitig. Ebenso definiert das Wort Krise aber auch einen kritischen Wendepunkt einer sich entwickelnden Situation.
Auch wenn es den Anschein hat, dass eine solche Krise uns plötzlich und ohne Vorwarnung überrollt, erkennen wir nach einigen wenigen Überlegungen, dass dies nicht so ist. Im Gegenteil: eine solche Krise bahnt sich über einen bestimmten Zeitraum an und entwickelt sich – anfangs unbeachtet.
Der Gesundheitskrise gingen möglicherweise ein selbstzerstörerischer Lebenswandel, ignorierte oder fehlgedeutete Vorzeichen wie Schmerzen und andere Symptome voraus. Die Ursachen der Umweltkrise muss ich nicht aufzählen. Die Beziehung war möglicherweise schon lange verstummt, geprägt von Schuldzuweisungen, Distanz und fehlender Wertschätzung.
Eine Krise zeigt schonungslos die Sollbruchstellen im System.
Und auch COVID-19 war aus meiner Sicht nicht Grund der derzeitigen weltweiten Krise, sondern eben nur ihr Auslöser: eine Vielzahl von weltweiten Versäumnissen und Fehlentwicklungen, gepaart mit Ignoranz und Inkompetenz haben aus einem Feuer einen kaum kontrollierbaren Großbrand werden lassen.
In der akuten Krise zeigen Menschen ihr wahres unverfälschtes Ich: der/die eine zieht sich zurück und verharrt in Depression und Angst, andere wiederum horten und verschaffen sich Vorteile, es wird bevormundet, gejammert, Allianzen gegen andere geschmiedet, es werden Schuldige gesucht und Aggressionen entwickelt.
Aber es entstehen auch menschliche Nähe, Empathie, eine neue Sicht auf die Dinge, Hilfsbereitschaft und die Aktivierung bisher nicht genutzter Ressourcen.
Und das sind die Momente, derentwegen ich die Krise schätzen gelernt habe: So wie bisher geht es nun anscheinend nicht mehr weiter. Alle Versuche, sich mit der bisherige Situation zu arrangieren, funktionieren nicht mehr. Faule Kompromisse scheitern. Es muss eine neue Herangehensweise entwickelt werden. Einstein sagte: „problem space is not solution space“ (Der Problemraum ist nicht der Lösungsraum). Das heißt: in dem System, in dem das Problem entstanden ist, kann es nicht gelöst werden. Es muss sich mehr ändern als nur die Ursachenforschung und die bisherigen halbherzigen Lösungsversuche. Die Krise macht das klar deutlich.
Das ist der Punkt, an dem die Krise unser Freund werden kann: sie öffnet Augen. Sie zwingt zum Umdenken. Sie verwirft erfolglose Strategien. Sie gibt uns die Chance zur Kreativität, zur Selbstwirksamkeit, zur Weiterentwicklung. So entsteht Wachstum.
Entwicklung ist nie linear. Kinder wachsen in Schüben, Beziehungen entwickeln sich über viele Höhen und Tiefen hinweg, Entwicklungen in Wirtschaft und Kunst müssen Altes überwinden, große Veränderungen brauchen Paradigmenwechsel. Anstatt zu schauen, wie wir immer schneller und effizienter die Leiter heraufklettern, ist immer wieder der Blick erforderlich, ob die Leiter noch an der richtigen Mauer steht. Diesen Blick gibt uns die Krise.
Natürlich könnten wir all das auch vermeiden, indem wir die genannten Fehler künftig nicht mehr begehen. Aber ganz ehrlich: das ist einfach nicht möglich. Irren ist menschlich, das Verharren in bestehenden Situationen auch oft eine wichtige Fähigkeit.
Vielleicht entwickeln wir in der Zukunft aber feinere Antennen für Schieflagen, damit nicht jede künftige Krise zur Katastrophe wird, sondern nur zu einem weiteren Wendepunkt.
Mit einer nicht involvierten Person diesen Weg der Veränderung zu entwickeln ist dabei sehr hilfreich.
Ein professioneller Blick von außen auf das eigene System ist klar und unbeeinflusst. Die eigenen Ressourcen werden erkannt und gestärkt. Lösungen können erarbeitet werden, die die Situation nachhaltig verbessern. Dazu lade ich Euch ein.
Lasst uns reden!
#trauern Mai 2020
Bei allem was wir tun und erleben, früher oder später werden wir mit den Themen Trauer und Tod konfrontiert.
In unserer Gesellschaft haben sich diese Lebensphasen immer mehr in eine Grauzone verlagert. In Zeiten der Perfektion, in der es für fast jedes Problem einen Spezialisten oder ein Medikament gibt, sind Trauer und Schmerz kaum auszuhalten – weder vom Betroffenen selbst, noch von der Umgebung.
Man spricht darüber nur ungern, Familien, Freunde und selbst Ärzte sind oft hilflos. Auch religiöse Gemeinschaften, in denen früher beide ihren Raum fanden, sind im Rückzug. Familien leben weit verstreut.
Getrauert wird in jeder Kultur der Welt. So unterschiedlich die Rituale sind, haben sie doch überall den gleichen Zweck: inne zu halten, den Verlust zu beweinen, einen Umgang mit der neuen Realität zu finden.
Trauer, Trauma, Tränen haben nicht nur einen ähnlichen Wortstamm, sondern sind auch in ihrem Bezug aufeinander verwandt: Trauer bedeutet schweren Stress, ist eine Reaktion auf Traumata, Verluste, Veränderungen.
Das gewohnte Leben gerät in Stillstand und die Seele erfährt Schmerz, nicht selten verbunden mit körperlichen Symptomen.
Der Umgang mit der Trauer braucht seine Zeit. Jede Trauer hat ihre eigenen Regeln, benötigt ihre eigene Geschwindigkeit. Die unterschiedlichen Phasen überlagern sich: Der Schock, das Nicht-Wahrhaben Wollen, das tiefe Leid, die Wahrnehmung des Schmerzes, der Abschied, das Loslassen und am Ende die Akzeptanz der neuen Realität.
In jeder neuen Realität liegen auch viele Chancen, aber den Weg dort hin erklärt kein Lehrbuch.
Die Trauernden sind sowohl mit dem Stress konfrontiert, den Verlust zu verarbeiten, sich gleichzeitig aber auch in der neuen Situation zurechtfinden zu zu müssen.
Im Fall eines Todes sind das beispielsweise auch Probleme wie der Wegfall eines Verdieners, die Organisation des täglichen Lebens, Umgang mit Kollegen, Kindern, Freunden. Hinzu kommen die Erwartungen von außen, nach einer „angemessenen Trauerphase“ doch bitte wieder der oder die „Alte“ zu sein.
Ein Verlust im Leben eines Menschen wird jedoch nicht nur durch den Tod ausgelöst. In unserem Leben werden wir immer wieder mit der Differenz zwischen unseren Erwartungen und der Realität konfrontiert. Unser Wollen bringt uns oft voran, lässt uns Dinge bewegen und scheitert doch auch immer wieder einmal an den Umständen. Dann müssen wir uns von der Idee, dem Ideal, dem Wunschtraum lösen.
Je stärker unser Ich durch das Verlorene bestimmt war, umso schwerer sind wir in der Lage, den Abschied zuzulassen und das Verlorene loszulassen. Bedenken wir manchen Abschied nur mit einem bedauernden Schulterblick, so bringt uns ein anderer in tiefste seelische Not und Selbstkonflikte.
Und so trauern Menschen nicht nur über den Tod eines nahe stehenden geliebten Menschen oder sogar über den Tod eines fernen Idols. Trauer - bewusst oder unbewusst - lösen zum Beispiel auch das Ende der Babyphase, der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus, der Verlust eines Jobs oder der körperlichen Unversehrtheit, der Zerfall einer Freundschaft, sogar das Ende einer schönen Reise und vieles mehr aus.
Ausschlaggebend ist die Frage, wie stark unser Selbstbildnis mit dem Verlorenen verbunden war. Wie stark ist das Ich? Brauchte es das Verlorene, um sich vollkommener zu fühlen? Oder zieht es seine Stärke aus sich selbst? Mit welcher Rolle hat sich der Trauernde identifiziert: der Ehefrau des wundervollen Mannes? Des gesunden, sportlichen jungen Mannes? Der bewunderten Schönheit? Des erfolgreichen fehlerlosen Managers?
Je existenzieller und ausschließlicher diese Rollen als das eigene Ich definiert wurden, umso komplexer wird der Umgang mit deren Verlust. Trauer geht dann nicht nur einher mit dem schmerzhaften Abschied von einem Menschen, einer Situation, einem Zeitabschnitt. Sie erfordert dann auch eine Korrektur des Selbstbildes, das "sich einfinden" in eine neue Rolle.
Ist das nicht möglich, folgt auf Trauer Wut, Depression, Verbitterung, Rückzug.
Zur Begleitung in der Trauerphase ist es wichtig und richtig, je nach eigenem Bedürfnis Freunde, Familie und auch professionelle Trauerbegleitung einzubinden, um diesen natürlichen Prozess zu durchleben.
Im zweiten Fall ist die Einbindung einer psychotherapeutischen Behandlung von Nöten. Bei dieser sogenannten „komplizierten Trauer“ sprechen wir von einer Diagnose, die ärztlich/ therapeutischer Hilfe bedarf.
Lasst uns reden!
# wer hat schuld? Dezember 2019
Ja, wer hat denn nun eigentlich Schuld?
Ich höre diese Frage täglich und die Suche dem Schuldigen nimmt wohl in jeder Familie, jedem Team, jeder erdenklichen Situation einen großen Raum in der Kommunikation ein. Dabei kann das „schuldig-machen“ sowohl aus einer Tat, als auch aus einer Unterlassung bestehen:
Die Eltern haben uns falsch erzogen, der Lehrer war nicht zugewandt genug, der Staat hat falsche Entscheidungen getroffen, die vorherige Generation die Umwelt/ Wirtschaft/ Gesellschaft abgewirtschaftet. Der Partner ist zu ungesellig, die Kollegin zu unfreundlich/ langsam/ unfähig/ übereifrig. Der Kunde hat zuerst gemeckert und die U-Bahn kommt sowieso immer zu spät. Nicht zu reden vom schlechten Wetter, lauten Nachbarn und ausgefallenen Verkehrsmitteln.
Nur zur Klarstellung: ich schreibe heute nicht über Verbrechen im Sinne krimineller Handlungen. Diese Opfer haben keinen Anteil an den Übergriffen. Hier sind Nennung und Verurteilung der Täter Teil der Bewältigung des Geschehenen.
Mein Thema sind die beschriebenen alltäglichen kleinen und großen Verletzungen im Alltag:
Und da alles furchtbar ärgerlich ist, beschäftigen wir uns mit den Ursachen, denen, die Schuld an der ganzen Misere tragen. Das gibt ein gutes Gefühl. Wir können Wut ablassen, uns abreagieren. Wir können Verbündete finden, mit denen wir ausführlich unsere schlechten Gefühle ausleben und eine Gemeinschaft bilden.
Denn wir sind die Opfer der Umstände. Das macht wütend und hilflos und am Ende aggressiv und deprimiert.
Und hier kommen wir zur großen Frage: Was lässt uns in dieser Situation verharren? Wenn wir Opfer „sind“, wer hat uns dann dazu gemacht? Etwas „zu sein“ ist eine Zuschreibung, eine Identifikation. Wer trägt die Verantwortung für diese Identifikation? Der andere, der uns etwas antut oder etwas eben gerade nicht tut? Oder wir selbst, indem wir diese Opferrolle annehmen und uns in ihr einrichten?
Denn Opfer der Umstände zu sein, hat auch Vorteile. Wut kann adressiert werden, Mitleid ist uns sicher. Wir können uns mit Gleichgesinnten verbünden, aus der Suche nach dem Schuldigen einen Lebensinhalt machen. Das befreit von eigener Verantwortung – macht aber gleichzeitig auch klein und unfrei.
Fakt ist jedoch: wir kommen keinen Schritt weiter. Die Situation bleibt, wie sie ist. Wir sind immer noch wütend und diese Energie begleitet uns nun bei unserem täglichen Tun. Die Schuldsuche wird zur neuen Brille, durch die wir die Welt betrachten. All unser Denken ist rückwärts gewandt auf eine Vergangenheit, die wir nicht mehr ändern können. Und diese Vergangenheit beeinflusst maßgeblich unser Hier und Jetzt, in dem wir die Fundamente für unser Morgen legen.
Zum Zweiten wird dabei eine Frage überhaupt nicht gestellt: Wo ist unser eigener Anteil an der Situation? Wo haben wir zu lange verharrt, geschwiegen, zugelassen? Wo haben wir unsere eigenen Muster zementiert und keine Veränderung zugelassen?
Sicher gibt es immer jemanden, der am Ende schuldig ist. Und gern kann man darüber kurz einen Gedanken verschwenden. Aber schon das Wort „verschwenden“ sagt eigentlich schon alles: es ist unproduktiv verbrachte Zeit.
Sinnvoller und hilfreicher für unser Wohlbefinden ist die Frage nach der Lösung, den Veränderungsmöglichkeiten und nach unseren eigenen Anteilen. Denn dann kommen wir ins Tun, auf den Weg zur Verbesserung der Situation. So entstehen Selbstwirksamkeit und ein neuer Sinn im Leben. Das ist das Abgeben der Opferrolle, die nicht zu uns gehört.
Lasst uns reden!
# a letter to my friends August 2019
Some of you I have known for a long time, some for months: many of you live far away and we meet from time to time. In the meantime we are connected via whatsApp, Facetime and Instagram. And sometimes one or another of you tells me you are feeling blue, depressed, unworthy, misunderstood and unsure about what is wrong.
Children learn to understand their feelings and to communicate about them, when they are babies and toddlers. They learn this like a language from their mother. She translates the terrible unknown experiences of first pain, fear and rage. Children don´t know yet, what happens when going through strange physical experiences: increased heartrates, bellyaches or other pains.
The mother then takes the baby in her arms and explains, “Oh baby, you are hurt/ angry/ afraid. That’s painful, I can imagine. I’m here to help you through this. I love you and it will be better soon.” This way the child learns to name different kinds of feelings and experiences and how to cope them.
Do you remember? No?
Perhaps you think your feeling is hunger because you received sweets as a child when you were crying? Perhaps you think your feelings are wrong, because you were asked to stop crying because it is, “Not so bad” or “You always exaggerate“? Or maybe you feel absolutely nothing, only emptiness, paralysis and helplessness, because such feelings even today are not understandable or bearable for you.
You are not the only one, be certain of that.
Many parents don’t teach their babies this language of emotions. They are so busy with themselves, are emotionally needy or maybe didn’t learn this language in their own childhoods. They were children too, some of them in difficult circumstances or hard times.
So how do we deal with this situation as grown-ups? How do we live with times of mental darkness?
Well, firstly (this may sound disillusioning): it is what it is. You can’t change your past. The only way to handle the now is through acceptance.
If we accept ourselves as we are (and you are all beautiful and worthy and adorable), then we do not have to worry about not meeting the expectations of others.
The love you are looking for and that makes you free, can be given solely by yourself.
Humans only are able to give what they own: if they are busy with themselves, are emotionally needy and don’t love themselves, how can they give love to others?
And if you permanently need the feedback of others to feel lovable and worthy, you will become like a junkie: always dependent on the opinion of others. If you start loving yourself, you will become peaceful and generous. And the love of others will be a beautiful add on, not a support for survival.
Depression is a product of helplessness and absent self-sufficiency. Anger about others can’t be addressed. Maybe you are angry about your husband, your child, your parents, somebody you could lose or hurt. So your body makes it impossible to fight and tells you the unspeakable: paralysing you with depression. It’s a kind of psychological self harm.
I don’t know your parents. Maybe they are very needy too. Maybe they used you to get the love that they couldn‘t give to themselves. They behave, as they learned during their own childhoods, to survive emotionally.
Forgive them. They gave the best they could. And maybe not even that. Searching the past and looking for guilt doesn’t make you happier. Only acceptance and forgiveness can free your heart. And maybe this will enable you to engage in new communication on an equal level; if you want, if it is good for you. If not, let it be. YOUR well-being counts.
Check your current situation: are you safe? Do you know where you belong? Is there a sense of purpose in your daily life? Are you able to be yourself? What is your reason to get up in the morning? Are your relationships healthy or toxic?
Since Instagram we all know, that the world consists of beautiful, rich and happy people. Except you. But even this makes you special….
You are not great and lovable because you sing, dance, have a special hair colour or the newest handbag. It’s because you are the special YOU.
Remember the words of the stewardess: “In case of cabin air pressure loss, put your oxygen mask on first, before helping others.” I am happy to have met you all. You are part of my big-world-family and I love you all. Be generous and merciful to yourselves. Love yourselves. Don't expect perfection from yourself, no more than from others. You are always enough.
Let’s stay connected and let us talk.
# familiengeheimnisse – der stille einfluss des unausgesprochenen Juni 2019
Über die Rolle der Kommunikation in einem System habe ich schon geschrieben. Es gibt aber noch eine – mitunter sogar viel stärkere – Macht, die oft über Generationen hinweg Einfluss auf Fühlen, Denken und Tun einer Familie nimmt. Etwas, das nicht sichtbar ist, keinen Raum in Erzählungen und Bildern findet. Es scheint nicht zu existieren, ist jedoch oft stärker als Worte: Das Unausgesprochene.
In der heutigen Zeit findet die Sorge um die seelische Gesundheit eine immer höhere Akzeptanz.
Ängste, Süchte, Depressionen werden in Therapien begleitet, nach traumatisierenden Erlebnissen wird therapeutische Unterstützung angeboten, nicht zuletzt durch soziale Medien und Presse finden viele Themen ihren Weg an die Öffentlichkeit und verlieren ihre Stigmata.
Denken wir nun an unsere Eltern- und Großelterngeneration. Sie lebten in einer Zeit, in der der häufigste Umgang mit derartigen Themen das Schweigen und Leugnen war.
Die Geschehnisse in den 2 Weltkriegen sind wohl an keiner Familie spurlos vorbeigegangen. Im Krieg gibt es keine Gewinner. Waren es die Männer mit ihren Kriegserlebnissen, oft Täter und Opfer zugleich; die unzähligen Toten, die Frauen, zurückgelassen, in Angst um Leben und Gesundheit, oft Missbrauch ausgesetzt; die Kinder inmitten all dem – jeder hat seine eigenen Erlebnisse erlitten, verdrängt, vergraben.
Vertreibung, Entwurzelung, Vergewaltigung, Gefangenschaft, Hunger, Schuldgefühle, Sterben und Leiden – mindestens 3 Generationen waren gleichzeitig traumatischen Situationen ausgesetzt.
Aber wer kann sich erinnern, dass Opa aus dem Krieg erzählt hat? Wessen Eltern haben davon berichtet, wie es war, in einem zerstörten Land zu leben, Hunger und Entbehrungen zu erleben? Wessen Großmutter oder Mutter hat von Vergewaltigung berichtet?
In jedem Land, jeder Kultur gab und gibt es solche Vergangenheit. Die stillschweigende Devise lautete weiterleben und nicht zurückschauen.
Aber auch wenn nicht über die Verletzungen gesprochen wurde – vielleicht sogar gerade WEIL sie nicht ihren Raum für Heilung finden durften, haben sie eine große Überlebenskraft entwickelt. Sie haben sich im Handeln und Denken ihrer Träger verankert.
Man kann nur geben, was man besitzt. Wenn aber Urvertrauen, inneres Gleichgewicht, empfangene bedingungslose Liebe und Glaube an das Gute nicht oder nur teilweise angelegt wurden, ist auch deren Weitergabe nicht möglich. Wenn die Eltern selbst emotional bedürftig sind, kann das Kind sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse nicht kennenlernen. Es wird sich so verhalten, dass es seinen Eltern gut geht: artig, fleißig, sich selbst zurücknehmend. Und dieses Kind wird – wenn es erwachsen wird - diesen Kreislauf fortsetzen bei seinen Kindern.
Und so haben Generationen ihr Unausgesprochenes durch Handeln oder Vermeidungen weitergegeben. Und oft hatte der Eine oder Andere das Gefühl, dass etwas nicht zusammenpasst, dass irgendetwas fehlt. Aber es gab dazu keine Erklärung, keine Geschichte.
Erst wenn das Unausgesprochene zu Worten wird, kann es seinen Raum finden. Dann werden plötzlich Fragen beantwortet, dann fügen sich Puzzleteile zusammen. Warum waren die Großeltern immer so distanziert miteinander? Warum war Oma so oft traurig? Warum hat der Vater nie über Gefühle gesprochen? Warum war Mama oft depressiv? Warum wurde Kummer weggetrunken?
Wenn das Familiengeheimnis kein Geheimnis mehr ist, kann Heilung eintreten. Vielleicht nicht mehr bei der ersten Generation. Aber das Verständnis kann den Weg öffnen zu einer neuen, offenen Kommunikation der nachfolgenden Generationen. Verständnis ist die Basis für Vergebung und Loslassen. Dann ist der Blick frei für das Hier und Jetzt.
Lasst uns reden!
# wie unsere kinder werden, wer sie sind.... Februar 2019
In meinem Umfeld sprechen wir gerade viel über die Vorkommnisse an Schulen, über Mobbing unter Kindern, über Ausgrenzung und Rassismus. Die Vorkommnisse sind erschütternd, aber auch nicht neu. Es hat den Anschein, als nähmen die Hemmungen im Alltag immer mehr ab.
Was können wir als Erwachsene, als Eltern und Verwandte, als Freunde und als Unbeteiligte tun? Auf welche Art können wir Einfluss nehmen?
Unsere Kinder lernen ihr Verhalten nicht aus Worten, sie lernen durch Erleben und Zusehen. Sie lernen durch Vorbilder und durch ihr tägliches Wahrnehmen.
Jeden Tag hören Kinder gute Ratschläge von Eltern, Lehrer und sogar Fremden, wie sie sich richtig zu verhalten haben: „Sei fair zu anderen; respektiere andere Menschen; liebe dich selbst, wie du bist; teile; sei fleißig; beleidige niemanden; sei ehrlich“ und viele andere mehr.
Aber Botschaften haben immer mehrere Ebenen – und von denen ist die verbale Ebene nur die Spitze des Eisbergs. Viel stärker wahrgenommen werden die nonverbalen Botschaften: Mimik, Gestik und vor allem Handlungen.
Wie agieren wir selbst in der Realität? Welche Worte benutzen wir hinter dem Steuer, wenn die Kinder auf dem Rücksitz sitzen? Wie verhalten wir uns an der vollen Kasse, am Buffet im Urlaub, im vollen Zug, gegenüber dem Obdachlosen, dem Fremden? Wie sprechen wir zu Hause über Kollegen, Lehrer, andere Eltern, Verwandte? Welche Kommentare setzen wir im Internet ab?
Sind die Botschaften identisch oder widersprüchlich? Leben wir, was wir fordern?
Die Mutter, die der Tochter ein gesundes Körperbild vermitteln will, selbst aber vor dem Spiegel herablassend über sich spricht. Die Eltern, die Offenheit vom Kind verlangen, selbst aber heimlich abends streiten und Harmonie vortäuschen. Der Tratsch über die neuen Eltern in der Klasse, die unfähige Lehrerin, den schwulen Kollegen; der Konsum von Fernsehformaten, in denen Schwächere vorgeführt werden, Makel und Unzulänglichkeiten in aller Breite zum Thema gemacht werden…
In einer Mobbingsituation gibt es viele Beteiligte. Die Mobbenden, die Opfer und nicht zuletzt die Zu- und Wegseher. Jedes Verhalten hat seine Geschichte. Angst, selbst zum Opfer zu werden, das Gefühl, allein nichts unternehmen zu können, Desinteresse, mangelnde Empathie.
Haben wir zu unseren Kindern ein starkes belastbares Vertrauensverhältnis? Teilen sie sich uns mit? Haben wir Rituale in der Familie, in der jeder seinen Raum findet?
Ich rede hier nicht vom gemeinsamen Abendbrot, bei dem der Fernseher läuft und das Handy auf dem Tisch liegt. Sondern von regelmäßigen gemeinsamen Zeitfenstern, bei denen wir uns austauschen – auch über Erlebnisse, die uns gefreut oder geärgert haben. Bei denen wir unseren Kindern zeigen, dass man gemeinsam eine Lösung findet, unterschiedliche Ansichten in Ordnung und Fehler erlaubt sind.
Werden alle Sorgen erst einmal ernst genommen, so geringfügig sie uns auch vorkommen? Freuen wir uns gemeinsam über Erfolge, auch die vermeintlich kleinen?
Wir sind Vorbilder, in allen unseren täglichen Rollen. Natürlich sind wir nicht perfekt – aber wir können uns entscheiden, jeden Tag ein bisschen bewusster zu werden und die Augen gegenüber unserer Umwelt und uns selbst offen zu halten. Änderungen beginnen immer bei uns selbst.
Lasst uns reden!
#2019 - das neue buch schreiben Januar 2019
Jetzt liegt es vor mir, das neue Buch. Leer. Unbeschrieben. Einladend. Herausfordernd. Fragend.
Was wird darin am Ende des Jahres zu lesen sein? Welche Geschichte wird es erzählen? Und vor allem: wer wird diese Geschichte schreiben? Wer ist verantwortlich?
Wir schreiben unser Buch – wir allein.
Jeder Satz, jede Seite ist eine bewusste Entscheidung: Sich auf Dinge einzulassen, Neues zu probieren, zu lieben, zu leiden. Auch nichts von alledem zu tun, ist unsere alleinige Entscheidung.
Unsere Umwelt, die Welt, die Anderen – sie sind, wie sie sind.
Ihr Verhalten liegt außerhalb unseres Einflussbereiches. Wir haben keine Kontrolle über die Welt außerhalb von uns. Aber wir können bestimmen, wie wir uns ihr gegenüberstellen. Ob wir sie annehmen und uns ihr stellen, oder ob wir resignieren und die Verantwortung für Gelingen und Scheitern abgeben.
Nichts und niemand hält uns davon ab, die beste Version von uns selbst zu sein. Andere Menschen durch unser Handeln zu berühren und von ihnen berührt zu werden. Gutes Beispiel zu sein und guten Beispielen zu folgen.
Wie viele gute Vorsätze werden nicht umgesetzt? Mehr Sport zu treiben, weniger zu arbeiten, nicht mehr zu rauchen, gesünder zu essen, keine Dinge mehr anzuhäufen, die man eigentlich nicht braucht?
Am Ende des Jahres ist meist alles beim Alten geblieben. Warum?
Weil wir zwar vage wissen, was wir NICHT MEHR wollen oder vielleicht sogar sollen – aber nicht klar ist, WAS wir stattdessen wollen.
Wir müssen uns der Frage stellen, wofür das alte Verhalten gut war:
- Was haben wir an dessen Stelle NICHT getan?
- Wovon hat es uns abgelenkt?
- Was mussten wir nicht fühlen?
- Was hat es ersetzt?
Erst wenn wir diese Fragen beantworten können, können wir entscheiden, was wir stattdessen tun:
- Das Zulassen von Unsicherheit, das Aushalten von Einsamkeit oder der Angst, nicht zu genügen?
- Die Überwindung, neue Wege zu gehen, ausgetretene Pfade zu verlassen, neue Menschen in unser Leben zu lassen und vielleicht auch andere daraus zu entlassen?
- Sich emotionaler Bedürfnisse bewusst zu werden und sie auszusprechen, an statt sie wegzuessen, wegzutrinken, in Dunst aufzulösen, auszusitzen?
- Zu akzeptieren, dass wir alle nicht perfekt sind und gerade das uns so liebenswert macht?
- Sich dessen bewusst zu werden, dass wir auf unendliche viele Dinge keinen Einfluss haben, sondern einzig und alleine unseren eigenen Weg finden können, damit umzugehen?
Das sind die Fragen, die wir uns stellen sollten, bevor wir die erste Seite des Buches aufschlagen und den Stift in die Hand nehmen.
Sie sind es wert. Selbstverantwortung ist anstrengend, aber das Gefühl ist großartig und befreiend.
Und immer ist unser selbst gelebtes eigenes Leben spannender und erfüllender, als das leben eines fremden Lebens.
Lasst uns reden!
#glaubenssätze - die macht unserer überzeugungen Dezember 2018
Das letzte Blatt am Baum erinnerte mich heute an eine Geschichte.
Ein Mädchen war sehr krank und lag seit Monaten in seinem Bett. Sein Blick aus dem Fenster fiel auf einen Baum, und es sah den Sommer vergehen. Es hörte den Arzt zu den Eltern sagen: "den Winter übersteht sie wahrscheinlich nicht". Eines Tages sagte das Mädchen: „Ich werde sterben, wenn das letzte Blatt gefallen ist“.
Die Tage vergingen, das Laub fiel und eines Tages hing nur noch ein einziges Blatt am Zweig. Der Wind zog an ihm, der Regen machte es nass und schließlich wurde es von Schnee bedeckt. Aber es blieb an seinem Platz und das Mädchen hielt an jedem neuen Morgen Ausschau. Eines Morgens sprossen neben dem Blatt neue Knospen und der Frühling begann. Das Mädchen wurde stärker und eines Morgens stand es auf– geheilt und gekräftigt, besuchte den Baum und sah: der Vater hatte das Blatt mit einem kleinen Faden am Baum festgebunden.
So viele bewusste und unbewusste innere Glaubenssätze steuern unser Handeln. Sie können uns unendlich beflügeln oder am Wachsen hindern. Wir sind uns ihrer kaum bewusst, sie steuern aber die Bewertung unserer Welt.
Wer kennst sie nicht, die Sätze aus frühester Kindheit, die auch noch im Erwachsenenleben das Denken und inneren Überzeugungen vieler Menschen beeinflussen? Sie wurden von anderen gesagt und von dem kleinen Kind als eigene Stimmen übernommen:
Das kann ich sowieso nicht.
Wenn die anderen zufrieden mit mir sind, bin ich in Ordnung.
Ich habe keine Ahnung, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Egal was ich tue, ich kann mein Schicksal nicht beeinflussen.
Wenn es anderen nicht gut geht, darf es mir auch nicht gut gehen.
Ich bin zu dumm, zu schwach, zu unattraktiv...
Ich habe sowieso immer Pech.
Aber es gibt auch Überzeugungen, die Berge versetzen, uns wachsen lassen und sogar die Heilung von Krankheit unterstützen. Diese Sätze wurden uns von Menschen gegeben, die selbst mit sich im Reinen waren, an uns geglaubt haben und uns geliebt haben. Diese Sätze sind wie die Blätter, die nicht vom Baum fallen und uns jeden Morgen zeigen, dass das Leben lebenswert ist.
Ich bin liebenswert.
Alles hat einen Sinn und wird sich am Ende fügen.
Ich kann stolz auf alles sein, was ich erreicht habe.
Ich schaffe das, allein oder mit Unterstützung.
Ich werde gesund.
Ich kann die Situation vielleicht nicht ändern, aber das Beste daraus machen.
Ich kann mit meinem Handeln etwas bewirken.
Immer wieder einmal stehen wir vor Problemen und kämpfen mit den Widrigkeiten des Lebens. Dann hilft es, sich zurückzulehnen und unseren inneren Stimmen zu lauschen. Diejenigen zu aktivieren, die uns stärken und denen auf die Schliche zu kommen, mit denen wir uns selbst sabotieren.
Dann ist es gut, einen Partner zu haben, der die richtigen Fragen stellen kann:
Lasst uns reden!
#über die wahl der richtigen worte November 2018
Unsere Gedanken werden unsere Worte, unsere Worte definieren unsere Gedanken.
Unsere Worte führen zu Handlungen, diese zu Gewohnheiten. Und diese beeinflussen unseren Charakter und unser Schicksal. So sagt ursprünglich der Talmud, habe ich gelesen – dieser Spruch ist uns allen schon hier und da zu Ohren gekommen.
Aber wie sorgsam sind wir bei der Wahl unserer Gedanken und der Worte? Mit dieser Frage wurde ich letztens wieder konfrontiert. In einer Pressemitteilung berichtete ein Unternehmen darüber, dass es engagiert sei für Toleranz gegenüber Religion, Sexualität und Geschlecht seiner Mitarbeiter. Aber meinte der Schreiber wirklich Toleranz?
Werden diese Mitarbeiter erduldet, ertragen? Ist der Tolerante damit nachsichtig, weitherzig aus einer moralisch höheren Position heraus?
Oder war vielmehr Akzeptanz gemeint? Nimmt dieses Unternehmen seine Mitarbeiter an, so wie sie sind: eine großartige Vielfalt von Menschen unterschiedlicher Herkünfte, Hautfarben, Religionen und Lebensentwürfe? Treffen sich Menschen auf Augenhöhe, findet wirkliche Begegnung statt? Im vorgenannten Fall ist das tatsächlich der Fall.
Dieses Erlebnis war Anlass für mich zu reflektieren, wie wir mit Krisen, Erkrankungen, Problemen umgehen. Auch hier kann die Entscheidung für die richtigen Worte unsere Wahrnehmung und unseren Umgang mit der Situation beeinflussen. Nehmen wir die Situation hin? Erdulden wir sie und wehren uns mit allen Mitteln gegen eine unabänderliche Realität? Lassen wir uns von der Krise klein machen, emotional in Geiselhaft nehmen, lähmen? Oder nehmen wir die Situation an? Als Chance, eine neue Sichtweise einzunehmen, neue Ressourcen zu aktivieren? Wahre Akzeptanz schafft den Raum für Integration und Wachstum.
Jede Krise zwingt uns erst einmal in die Knie. Jeder Eingriff in unsere emotionale und körperliche Unversehrtheit löst Angst, Trauer, Wut aus. Das ist natürlich, und diese Gefühle müssen ihren Raum bekommen. Sie wollen akzeptiert werden als Teil unserer Persönlichkeit. Weder Verdrängung noch Ignoranz bringen eine Lösung. Sie verschieben nur den Termin der Auseinandersetzung auf einen späteren Zeitpunkt, an dem die vertrauten Mechanismen nicht mehr funktionieren.
Die Diagnose einer Krankheit, der gegangene Partner, der verlorene Arbeitsplatz – auch die verlorene Jugend – sie alle sind nicht rückgängig zu machen. Sie lassen uns allein zurück, hilflos, überfordert, wütend, traurig, einsam. Das ist eine Tatsache. Aber die Art und Weise, wie wir mit damit umgehen, ist bewusst oder auch unbewusst unsere eigene Entscheidung. Und diese Entscheidung beginnt in unserem Kopf, bei den Namen, mit denen wir sie benennen.
Ich habe tolle Menschen kennengelernt, die mit schier unerträglichen Problemen umgehen mussten und aus diesen Situationen heraus neue Sichten, Stärken und Kompetenzen entwickelt haben. Sie waren auch einmal schwach. Aber sie haben sich darüber hinaus Hilfe eingefordert, Schwäche, Wut und Angst ausgehalten. Sie sind wieder aufgestanden und haben die negativen Energien umgewandelt in Liebe, Weisheit, Kreativität. Viele konnten später anderen eine Hilfe sein.
Lasst uns reden!
#wenn Nester leer werden ... Oktober 2018
Und nun lag da dieser Studienbescheid in der Post. Plötzlich und unerwartet – oder eher lange erfolgreich verdrängt – ist aus dem kleinen ein großer Mensch geworden. Einer, der zwar immer noch Kind ist und sich auch darauf beruft, der aber auch seine eigenen Entscheidungen trifft und erwachsen wird. Und der bald nicht mehr im Haushalt der Familie wohnt.
Natürlich kam das alles nicht über Nacht, aber wie bei allen schwierigen Herausforderungen war Verdrängung lange Zeit eine erfolgreiche Strategie der Eltern.
So viele Jahre hat sich fast jedes ihrer Gespräche um die Kinder gedreht. Wie oft wussten sie nur, dass das die „Eltern von“ sind und hießen selbst „Mama von“ und „Papa von“.
Die kleinen und großen Leistungen des Kindes waren immer der Stolz der Eltern und sie haben sich zu einem Großteil über das Kind definiert. Nicht zuletzt waren Alltag, Urlaubszeit- und -ort, Wochenende und Nachmittage gesteuert von Schule, Hausaufgaben, Prüfungszeiten, Ferienkalender und Familienkompatibilität.
Dazwischen war wenig Raum für weitere Bedürfnisse und freie Entfaltung. Arbeit und Familie passten gerade noch unter einen Hut – mit ein bisschen quetschen, viel Engagement und gutem Willen.
Nun tut sich ein schier unendlicher Freiraum auf. Und doch ist die Freude verhalten. Warum?
Ein großer Teil unserer Persönlichkeit braucht nun eine neue Definition. Einen neuen Sinn. Mehr Eigeninitiative.
Fremdbestimmt sein hat nicht nur Nachteile, sondern auch einen Nutzen. Es bildet einen verlässlichen Rahmen für den Alltag und Entscheidungen. Es minimiert die Pflicht zur Eigenverantwortung. Es definiert einen Grund zum Durch- und Zusammenhalten im Interesse der Familie.
Aber wer sind wir, wenn wir nicht mehr „die Eltern von“ sind?
Wer sind wir als Paar?
Was verbindet uns?
Welche Baustellen brauchen Investitionen?
Worüber sprechen wir miteinander, mit anderen?
Was erwarten wir voneinander?
Was wurde bisher vermieden anzusprechen?
Brauchen wir eine neue Kommunikation?
Was wird der neue Lebensabschnitt bringen?
Passen unsere Lebenspläne übereinander?
Das Erwachsenwerden der Kinder konfrontiert uns mit dem eigenen Altern, mit der eigenen Vergänglichkeit. Vielleicht auch mit vertanen Chancen, Verlusten und nicht realisierten Wünschen.
Wie schaffen wir es, uns neue Räume zu erschließen und diese Zeit mit Sinn zu füllen?
Oft geht dieser Lebensabschnitt einher mit dem allmählichen Auslaufen des Berufslebens. Altersteilzeitregelungen und vorgezogener Ruhestand treffen auf eine sich immer länger jung und gesund fühlende Generation.
Wenn wir diese Fragen nicht als Krise, sondern als Chance zum eigenen Wachstum begreifen, können wir diesen nächsten Lebensabschnitt mit Energie angehen. Nehmen wir diese Herausforderung nicht an, dreht sich das System Familie im Kreis.
Kann ein Kind frei seinen Weg gehen, wenn es sich verantwortlich für die emotional bedürftigen Eltern fühlt?
Kann es eigene Berufswünsche leben, wenn es die verpassten Chancen der Eltern nachholen soll?
Kann es seine eigene Familie gründen, wenn seine Eltern von ihm ihr neues Betätigungsfeld erwarten?
Darf ein Kind glücklich sein, wenn es das Gefühl von Schuld gegenüber "verlassenen" Eltern hat?
Sich all diesen Fragen zu stellen und proaktiv Lösungen zu finden, bedeutet die Übernahme von Verantwortung: uns selbst, aber auch unseren Kindern gegenüber. Loslassen ist immer auch Verlust. Der öffnet die Tür zu Neuem. Wir mussten schon viele Verluste verarbeiten: Aus dem Baby wurde ein Kleinkind, aus dem Kleinkind ein Schulkind, das wurde zum Teenager – und nun dieser große Schritt hinaus in das eigene selbstbestimmte Leben.
Es wird nicht immer einfach sein, aber wir sind es ihnen und uns schuldig. Wir leben nur dieses Leben, es gibt keinen Reset-Knopf.
Lasst uns reden!
#krebs September 2018
Da war es wieder, dieses leichte Ziehen in der Brust. Kaum spürbar, aber es gehörte nicht dort hin. Der Bauch wusste schon, was der Kopf noch nicht wahrnehmen wollte: Das war Gefahr.
Aber mein Arzt war im Urlaub und ich wollte noch das lange geplante Wochenende an der Ostsee verbringen. Dort ließ mich jedoch die ganze Zeit das Gefühl nicht los, dass eine unbeschwerte Zeit ihrem Ende zu ging.
„Das sollten Sie genauer untersuchen lassen“. In mir kroch Kälte hoch.
Der Versuch, schnellstens einen Termin für eine Mammographie zu bekommen; die ausweichenden Augen des Radiologen, der dringlich eine Gewebeuntersuchung empfahl. Die Telefonate mit dem Brustzentrum der Charité für einen kurzfristigen Termin; das erste Gespräch mit der sehr empathischen und zugewandten Ärztin wenige Tage später; die Gewebeprobenentnahme; der Anruf, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelt: Ich erinnere mich nur noch an eine scheinbar endlose Starre, herausgefallen aus Raum und Zeit, lähmende Panik, die keinen klaren Gedanken zuließ. Viele gut gemeinte Worte, doch keines konnte mich erreichen.
Brustkrebs ist die weltweit häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Für Deutschland heißt das: pro Jahr mehr als 70 000 Neuerkrankungen und etwa 17 000 Todesfälle. In meinem Umfeld gab es einige Fälle in den letzten Jahren. Aber doch nicht ich?!
Nach jedem morgendlichen Aufwachen begann in Sekunden der Gedankenkreisel: Oh Gott, es war kein Traum! Es ist vielmehr ein unendlicher Albtraum. Werde ich jetzt sterben? Werde ich mein Kind aufwachsen sehen? Wie wird meine Familie damit umgehen? Was kommt jetzt auf mich zu? Werde ich leiden? In meinem Leben gab es für vieles Pläne, aber doch keinen für Krebs!
Später begannen die Selbstvorwürfe: War ich schuld? War es der viele Stress der letzten Jahre? Das zu wenig für mich sorgen?
Das Schlimmste war der Verlust des Glaubens an die eigene Unverletzbarkeit. Würde ich je wieder unbeschwert in den Tag leben können?
Irgendwann übernahm die Realität wieder das Ruder und der Behandlungsmarathon startete. Gleichzeitig begann mein Weg zur Spezialistin in eigener Sache, denn der Krebs nahm sich nun ein riesiges Stück von meinem Leben, er wurde quasi mein neuer Alltag. Und ich merkte schnell, dass es dafür kein Handbuch gab, nur viele individuelle Wege und Entscheidungen.
Bei allem, was jetzt kam, begleitete mich der Satz meiner wunderbaren Ärztin: „Sie werden jetzt nicht sterben!“
Bei ihr konnte ich aussprechen, wovor ich mich gegenüber Freunden und Familie gescheut habe. Sie hat wertungsfrei zugehört und die richtigen Fragen gestellt. Mein Vertrauen in sie hat meine Lebensenergie gestärkt.
So habe ich Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung überstanden. Und jeder Tag brachte mich wieder ein Stück zu mir selbst zurück. Denn ich war nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern spürte auch wieder ein Stück Selbstwirksamkeit. Und wenn es nur das Aushalten der Nebenwirkungen der Chemo war, das Durchziehen aller notwendigen Behandlungen und die Annahme dieser neuen Situation.
Am wertvollsten aber war es für mich, eine neue Sicht auf die Situation zu finden:
- Was hatte ich durch die Krankheit gewonnen?
- Welche Möglichkeiten haben sich neu ergeben?
- Wo waren ihre positiven Seiten?
- Hatte ich je so viel freie Zeit nur für mich?
- Wann war ich so oft spazieren, in Ausstellungen, Mittagessen mit Freunden und Kollegen?
- Wie oft habe ich vorher auf mich gehört, meine Müdigkeit gespürt, darüber nachgedacht, was mir gut tut?
- Welche Wünsche hatte ich vor mir hergeschoben, welche Ideen verworfen?
Auch die vielen Stunden in der Onkologie, die in meiner Vorstellung von traurigen, schwer kranken Menschen am Tropf bestimmt waren, stellten sich als große Bereicherung heraus. Ich habe selten so viel positive Energie und Lebensfreude erlebt, wie in dieser Zeit. Ich habe wunderbare Gespräche geführt mit tollen Frauen, die ihr Schicksal angenommen und das Beste daraus gemacht haben.
So blicke ich heute – 4 Jahre später - auf diese Zeit vor allem mit Dankbarkeit zurück. Auch ein vollkommen unerwartetes Rezidiv 3 Jahre später habe ich mit viel Beistand und Unterstützung überstanden.
Ich lebe heute im Hier und Jetzt, schätze die Kostbarkeit des Lebens. Ich habe manches geändert und vieles beibehalten. Ich habe mich entschieden, jeden Tag bewusst zu leben und das Wichtige vom Unwesentlichen zu trennen.
Und ich habe es schätzen gelernt, mit jemandem zu sprechen, der nicht unmittelbar involviert ist und bei dem die Worte „ich kann mir vorstellen, wie es dir geht“ der Realität entsprechen.
Das gilt im übrigen nicht nur für Betroffene, sondern auch für ihre Angehörigen. Denn sie stehen ebenso hilflos der Situation gegenüber, wie der Patient selbst.
So wie der Körper die medizinische Behandlung benötigt, braucht die Seele Rückhalt und Unterstützung, positive Energie und Annahme.
Im Oktober ist „breastcancer awareness month“. Achtet auf Euch und Eure Nächsten!